Zahlen und Fakten

1993 gründeten Berliner Frauen, „angestiftet“ von der Sozialpädagogin Sabine Werth, die erste Tafel in Deutschland.
Die Idee hatte sie aus den USA, wo schon länger nicht verkaufte, übrig gebliebene Lebensmittel gesammelt und an Bedürftige verteilt wurden. Diese große Idee der Mitmenschlichkeit hat mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das nachdenklich machen muss. Armut und Bedürftigkeit gibt es in Deutschland – und anderswo – nicht erst seit 1993.

Allerdings beschämen mich die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die die Armutsgefährdungsquote in einem der reichsten Länder der Welt mit 12,4 Mio. Menschen als so hoch wie nie zuvor ausweisen. Viele dieser Menschen kommen aus der Armut nicht mehr raus. Noch 1994 dauerte ein Sozialhilfebezug selten länger als ein Jahr, heute gibt es Kinder, die kennen nur eine Einnahmequelle: Das „viel gelobte“ Hartz IV. Die Tafel hat heute 1,5 Millionen „Kunden“, die sich hier mit Obst, Gemüse, Jogurt, Wurst oder Nudeln versorgen müssen. 2005 waren es „nur“ 500.000.

Ein Grund zum Feiern? Für Politiker, die hier den Scherbenhaufen ihres Tuns vor Augen haben? Für Minister, die den Sozialstaat aus seiner Verantwortung entlassen? Für spendende Handelsunternehmen, die hier Abschriften entsorgen? Für die 50.000 Ehrenamtlichen, die sammeln und verteilen? Oder für alle anderen, denen die Tafeln ein gutes Gewissen verschaffen? Nein, kein Grund zum Feiern, nur zum Nachdenken. Dafür aber jede Menge Respekt und Hochachtung für jeden Einzelnen, der sich bei den Tafeln engagiert!

Aus dem Artikel „20 Jahre Tafel – Grund zum Feiern?“ von Chefredakteur Reiner Mihr
Quelle: Fachzeitschrift LEBENSMITTELPRAXIS, Ausgabe Mai/2013

Fakten vom Bundesverband Deutsche Tafel e.V.